Drum hoißd m'r se bloos no -d'Bäredriewer
Wie die Durmersheimer zu ihrem Spitznamen und der Bürgersaal zu seinem Wandrelief kamen
Auf den Dörfern der Hardt haben sich im Laufe der Generationen für deren Einwohner typische Spitznamen entwickelt. Sie entstanden sowohl aus historischen Begebenheiten und örtlichen Besonderheiten als auch aus Gerüchten. Auch die Durmersheimer sind so zu ihrem Spitznamen "Bäredriewer", was auf Hochdeutsch "Bärentreiber - Bärenjäger" bedeutet, gekommen.
Ein nachweisbarer Anlass, der zu diesem Spitznamen geführt haben könnte, ist nicht belegt, so dass auch hier verschiedene Gerüchte und wahre oder unwahre Vorkommnisse der Auslöser sein könnten.
Auf jeden Fall fand Pfarrer Franz Neumaier die Geschichte für interessant genug, um sie in seiner 1938 erschienenen Ortschronik "Der Marktflecken Durmersheim in Vergangenheit und Gegenwart" in Gedichtform festzuhalten:
Es dürfte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ereignet haben, als der Durmersheimer Ortsbüttel und Amtsbote Lederle einen Dienstgang nach Malsch zu erledigen hatte, um dort verschiedenen Leuten Holzzettel zuzustellen.
Frühmorgens machte er sich auf Schusters Rappen auf den Weg und stapfte über Felder und Wiesen in Richtung Hardtwald. In Gedanken malte er sich schon aus, ob er vielleicht hier und da ein kleines Schnäpschen oder etwas Trinkgeld bekommen würde und sich dafür auch das eine oder andere Gläschen gönnen könnte.
In Malsch erledigte er seine Arbeit zuverlässig und gewissenhaft und machte sich wieder auf den Heimweg.
Und da er über den guten Verlauf seines Dienstgeschäftes froher Laune war, kehrte zur Feier des Tages unterwegs in der einen und anderen Wirtschaft ein um seine durstige Kehle zu laben.
Nachdem er sich dann so manches Glas hinter die Binde gegossen hatte, machte er sich wohlgemut auf den Weg, denn es war mittlerweile nachmittags vier Uhr geworden und noch ein gutes Stück zu bewältigen.
Wie er so singend und pfeifend den heimatlichen Gefilden zuwanderte und vom Waldrand aus schon den Durmersheimer Kirchturm sehen konnte, überfiel ihn plötzlich ein Reißen und Zwicken in seinem Innern, also ein gehöriges Bauchweh, woran der reichliche Alkoholgenuss wohl doch nicht ganz ohne Schuld gewesen sein dürfte. Auf jeden Fall verspürte unser wackerer Büttel ein zunehmendes menschliches Bedürfnis und flüchtete sich schleunigst in den nächsten Welschkornacker, sprich in ein Maisfeld.
Und wie er sich gerade so richtig häuslich eingerichtet hatte, hörte er hinter sich plötzlich ein gefährliches Brummen und Knurren. Entsetzt stob er in die Höhe und machte sich eiligst aus dem Staub. Er rannte was ihn die Füße trugen dem Dorf zu.
Mit großem Schaudern und noch ganz benommen vor Schreck dachte er an einen gefährlichen Bär von ungeheurer Größe, denn nur so ein furchterregendes Tier konnte es sein, das sich in dem besagten Welschkornacker versteckt hielt.
Hilferufend rannte er abgekämpft durchs Dorf und schlug Alarm. Allen Leuten erzählte er, dass draußen im Welschkornacker am Waldrand ein riesengroßer Bär sitze, den es zu erlegen gelte.
Groß und Klein waren außer sich über diese Kunde. Alles machte sich auf den Weg, um sich an der Bärenjagd zu beteiligen. Mit Mann und Frau und mit Kind und Kegel rückten die mutigen Dur- mersheimer aus, schwer bewaffnet mit Sensen, Hacken, Mistgabeln, Äxten, Dreschflegeln und alten Flinten, um den Bären zu töten.
Da im Dorf gerade eine Hochzeit gefeiert wurde, ließ es sich die Braut ebenfalls nicht nehmen, an die- ser einmaligen Jagd mitzumachen und rannte mit der Gästeschar zum Kampfplatz, wobei sie unter- wegs ihren Myrtenkranz verlor.
Zum Schluss kam auch noch die Feuerwehr mit ihrem Spritzenwagen angefahren. Der Kommandant, ein wahrlich unerschrockener Mann, übernahm das Kommando für den Sturmangriff. Das Fell des Bä- ren, das stellte er gleich klar, werde er als Beute selbst behalten.
Nachdem er sich beim Büttel erkundigt hatte, aus welcher Richtung dieser das Gebrumme vernommen hatte, gab er sofort Schießbefehl. Zehn Salven wurden auf den vermeintlichen Feind abgeschossen und dann zum Sturmangriff geblasen. Mit ohrenbetäubendem Lärm rückte die ganze Kolonne gegen den Welschkornacker vor, im Geiste den im eigenen Blut liegenden Bären vor Augen und mit Vorfreude schon an frischen Bärenschinken denkend.
Doch welche Enttäuschung breitete sich aus, als anstatt des vermuteten Bären ein kleiner schwarzer Pudel, ängstlich und winselnd vor Schreck und Kälte, zum Vorschein kam.
Beschämt und mit hängenden Köpfen schlichen sie sich davon, die tapferen Durmersheimer.
Diese Schlacht hatten sie verloren, und dazu durften sie sicher sein, dass sie dafür von den Nachbardörfern nur Spott und Hohn ernten würden.
Pfarrer Franz Neumaier lässt sein Mundartgedicht denn auch so enden:
"Drum hoißd m'r se sidd seller Zidd,
die Männer, Kain un Wiewer,
bloß no d' Bäredriewer."
(Drum heißt man sie seit jener Zeit,
die Männer, Kinder und Weiber,
bloß noch die Bärentreiber.)
Historische Quellen, die das Geschehen belegen, gibt es nicht. Interessant ist aber, dass die Abteilung 29 im Durmersheimer Hardtwald, die am Waldrand zwischen Triftweg und Leonharder Weg liegt, hier und da in Flurkarten als "Bärentrieb" geführt wird. Zudem gibt es in Durmersheim auch den Spitznamen "Leelbär", der auf das Gewann "Löhl" im Wald südlich der Malscher Straße hinweist, wo der Welschkornacker gelegen sein könnte.
Und da in der Geschichte der Feuerwehrkomandant eine Rolle spielt, könnte sie sich nach 1867 ergeben haben, dem Jahr der Gründung unserer Freiwilligen Feuerwehr.
Egal ob wahr oder erfunden - wir Durmersheimer tragen es mit Stolz, Humor und Gelassenheit, dass man uns als "Bäredriewer" bezeichnet.
Wenn man bedenkt, dass es in Nachbarorten "Wasserärsch" und sogar "Laddesoicher" geben soll, können wir Durmerscher als "Bäredriewer" bestimmt ganz gut leben.
Schon 1955/56 hat man beim Bau des neuen Rathauses Sinn für diese Tradition bewiesen, als man diese amüsante Geschichte in Form eines vom Durmersheimer Grafiker Gunther Vogel entworfenen Majolika-Reliefs an der Außenwand des Bürgersaales verewigte.
Und auch das seit 1978 durchgeführte "Bäredriewerfeschd" beweist, dass man diese Tradition bis heute stolz weiterführt.
Ohne jetzt unseren Altvorderen Ruhm und Ehre nehmen zu wollen, sei es vollständigkeitshalber erwähnt, dass es ähnliche Bären-Erzählungen auch noch in anderen Gemeinden gibt, die so in gleicher Weise zu einem ähnlichen ortstypischen Spitznamen gekommen sind.
Dialekt zu schreiben ist schon schwierig, Dialekt in Gedichtform zu schreiben ist noch schwieriger. Da heißt es Kompromisse einzugehen in punkto Rechtschreibung und Wortbildung, wobei man dann des Reimes wegen den wahren Weg des Dialektes auch mal verlassen muss.
Die in verschiedenen Veröffentlichungen abgedruckten Textformen der Bäredriewer-Geschichte unterscheiden sich sowohl inhaltlich als auch sprachlich voneinander. Bei Franz Neumeier kann man heraushören, dass er aus Waldprechtsweier stammt und deshalb viele Wörter aus dem dortigen Dialekt verwendet.
Die Version von Altbürgermeister Heinrich Bauer überarbeitet die Originalausgabe von Franz Neu- meier, wurde aber in dem hier abgedruckten Text an verschiedenen Stellen noch einmal inhaltlich und "dialektlich" angepasst.
Bei der Schreibweise wurde darauf geachtet, dass dialektsprechende Leserinnen und Leser das Gedicht leichter lesen können.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch unser Dialekt sich von Generation zu Generation wandelt und ständig zeitbedingten Einflüssen ausgesetzt ist.
Das "Bäredriewer-Gedicht" ist aber sicherlich ein probates Mittel, um einen Zugang zu unserer heimischen "Muttersprache" zu finden.
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D' Bärejagd vun Durmersche
Schu ônn di hunnerd Jôhr isch 's här Er sidzd nôhd gôns vergniigd bim Wei,
dôô muss-en Mônn verrôse. bim Schnabs un a bim Biere.
Ihr Alde hänn-en alle kännd, Mer schengd so mônches Glas eem ei
d'r Lädderle hat m'r-n ghôße. bis nômmedags um Viere.
Ä umfôngriche Dädigkôd Ball werd si, dengd-er wohlgemud,
hadd-r ämôl endfalded: d' Naachd raaseng-ge.
Ôrdsbiddel, des schwäre Ômd, Nôhd muss-i a, so lôôd mer's dud,
hadd dômôls er verwalded. mei Schridde hômwärds leng-ge.
Holszeddel hadd der guude Mônn Un des dud nôhderd auser Held
fer Schderhols un fer Welle de Hômed zu maschiirn,
verschiedne Lidd im nôôe Malsch so friidlig widder iwwers Fell
dinschdlig zuzuschdelle. uhne zu bressiern.
Bsunnerer Iifer duud-er nôhd Dô, wie 's hald ofd môl gschiihd
fer so ä Gschäfd endfache, in so-me Auebligge,
denn dôô kôôn-er jedesmôôl er fiihld im Lieb gôns uverhoffd
gôns schääne Schbese mache. ä Risse un ä Zwigge.
Frie môrjeds um halwer fimfe schu I du 's nid gärn, so dengd-er nôhd,
griffd-er nôôch seim Schdogge, die schäne Lôndschafd schände,
machd si bim erschde Gloggedon awwer 's helfd mer alles nix,
gôns iefrig uff sei Sogge. mei Hosse muss-i wende!
Bi si dängd-er: 's isch so schää Er dengd: Was sei muss des muss sei!
jezz frii bim Môrjegraue Nôhd gehd-er frisch un wagger
gôns friidlig iwwers Fäll zu geh, well 's dô nid ôngerschd gehd
dôô kôô mer si erbaue. In-nen große Welschkornagger.
Ôm Kirchhof isch-er nôhd verbie, Un wie-er si so eirichd
awwer dängd dô nid ôns Bädde, Zu dem Gschäfd, dem dumme,
dorch's Hirn gehd-m so Mônncherlôi Dô heerd-er bledslig hinger si
vun Schbese unn Diäde. Ä Gnurre un ä Brumme.
Er dängd fer si in aller Schdill Du liewer Godd, so dengd-er nôhd,
heid lass-i môôl äwwes fließe. Was brummd denn dô so bees?
Fri von Sôrje i a will Verlichd isch 's gar ôm Eng än Bär
dän schäne Daa genieße. Vun ungehairer Greeß?
Un dônn in Malsch dô hadd-er nôhd Endsedzd iwwer des Missgeschigg
den Ufftra uhne Klaa so fliehd-r nôhd vun hinne,
erledigd bromd de gude Mônn, uff Durmersche schbringd-er z'rigg
zu seiner Ehr', des muss-mer saa. un er isch gôns vun Sinne.
In ä Wirdschafd gehd-er nôhd, Helfed, schriggd-er nôhd:
die brave, durschdig Seel. "Un heern was i uch meld:
De Durschd, der blôgd-en arg, En uugehôirer großer Bär
gôns drugge isch sei Kehl. Hoggd dus uff uurem Feld.
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Un wie se alle, groß und glôi Die Sach, so sagd-er schnell,
selle Kunde hän vernomme, werd si jedzerd so geschdalde:
mached si alle uff die Bôi, Vun dem große Bär des Fell,
in große Schare sin-se komme. Des wer-i selber b'halde.
Im gônse Dorf, ob rich, ob arm, Un wenn de Kômbf nôhd isch erschd us,
mid Mônn un Ross un Waa. Dud uch ä große Frôid a wingge
Un alles kommd uff den Alarm, Nôhd gibd 's än schäne Feschddagsschmus
Den Bäre zu erjaa. Vun frischem Bäreschingge.
Mer hold die alde Säwel her, Drum mached uch um des dumme Bieschd a gôns gschwind, Nu widders kaine Sôrje.
ä jedes alde Mordsgewehr Sa'n mer liewer wu es isch
un jede Schneegausflind. Un wu es si verborje.
Gôns Durmersche isch usmarschierd Un alles schriggd,
mid Fraa un Kain und Keel, a de glôinschde Ragger:
bewaffned so wie si 's gebiihrd "Dord hoggd de Bär
mit Agschd un Sais un Pfleel. In sellem Welschkornagger!"
Mid-em-ä Schdeesel isch 'n alder Dropf Nôhd uff Befehl vum Kummôndônd
a no gschrunge komme, Hän-se gôns uverdrosse
Mid-dem Dschaggo uff-em Kopf Uff dän große usichdbare Feind
Un hadd Kômbfschdellung ignomme. Zeh Salwe abgeschosse.
Grad isch ä Hochzig no im Ord. Di Zidd vergehd un sechse schlugs
Hochziddern hadd Rache gschworn. Vum nôhe Kirchedurm.
Sie rennd a no zum Kômbfblatz ford Un de Kummôndônd der riefd: "Nu fluggs,
Un had de Grôns verlorn. Jezz geh-mer vor zum Schdurm!"
Alle sin komme in Waffe schwer Un schdirmend schdirzd nôhd alles vor
in dichde große Schaarn, Mid griegerischem Mud.
z'ledschd kommd a no d' Feierwehr Un im Gôischd dô siehd-mer schu
mid-er Schbrids ôgfahrn. De Bär in seinem Blud.
Vun däne nôhd de Kummôndônd Awwer die Enddaischung isch arg schwer,
riefd gli: "In so-nem Falle mer wärd se nie vergesse:
Iwwernemm s' Kommôndo i Im Agger isch ônschdadd än Bär
Un folge missed-er alle!" än schwarzer Pudel gsesse.
Der had die wille Griegerschar
gôns ängschdlig ôgebleinz'ld.
Vor Käld un a vor Hunger
had gläglig er geweins'ld.
Beschämd, so schliched se dävu,
die Schlachd, die isch verlorn.
Sie wissed: Jezz folgd de Schbodd un Hohn,
well-se si so blômôrn
Drum hôißd mer se sidd seller Zidd,
die Männer, Kain un Wiewer,
bloos no ... Bäredriewer.
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